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Warum „Werte-Seminare“ wenig Wert haben

von | Jun 16, 2015 | Allgemein, Reinventing Organizations, Unternehmenskultur | 1 Kommentar

ethik

…sondern die Arbeit an Entwicklungsengpässen im Unternehmen viel wichtiger ist!

Seminare zu Unternehmenswerten haben Hochkonjunktur. Die Rubrik Unternehmenswerte auf der Homepage ist Pflicht. Was liegt also näher, als mal wieder einen Workshop zu den „Werten des Unternehmens“ abzuhalten?

Die gute Intention dieser Werteseminare bezweifeln wir gar nicht, aber deren Nutzen! Werte-Seminare werden oft angesetzt, wenn es im Unternehmen „zwickt“: Schlechtes Arbeitsklima, sinkende Kundenzufriedenheit, unklare Kommunikation, mangelndes „Wir-Denken“ etc. Gründe finden sich genug.

Gute Absicht – falsche Methode

Viele kommen zu dem (falschen) Schluss, dass diese Probleme gelöst wären, wenn sich doch endlich alle wieder an die „Unternehmenswerte“ halten würden. Die Mitarbeiter mögen sich einfach, im Berater Denglisch, wieder darauf „committen“.

Leider funktioniert das nicht, genauso wenig wie die moralischen Appell von Politikern, Lehrern, Eltern etc. Der Grund für den Misserfolg von Werte-Seminaren ist ganz einfach: So funktionieren Menschen eben nicht!

Gruppen haben Werte, Menschen haben Bedürfnisse

  1. Menschen halten sich nicht (vermehrt) an Werte, nur weil man darüber gesprochen hat, oder sie an der Wand hängen. Menschen halten sich an Werte, wenn diese eine sinnvolle Strategie sind, um die eigenen Bedürfnissen zu erfüllen.
  2. Menschen verletzen andauernd Werte – selbst die, die sie für gut und richtig halten – das ist menschlich. Entscheidend ist, was nach einem Fehler passiert – Stichwort Fehler- und Konfliktkultur.

Werte und Bedürfnisse passen nicht immer zusammen!

Werte sind übernommene Verhaltensregeln, die wir nur in Gruppen bilden. Werte, wie Pünktlichkeit oder Gerechtigkeit, ohne eine Gruppe, die diese Werte fordern, machen keinen Sinn. Werte sind kollektive Phänomene, sie treten nur in Gruppen auf.

Gruppen bestehen jedoch aus Individuen, die aus ihren individuellen Bedürfnissen heraus handeln. Und diese Bedürfnisse stehen manchmal in Kollision mit Werten. Beim Thema Pünktlichkeit kennen das viele. Als Wert stimmen dem viele zu – und trotzdem kommt man zu spät, weil ein anderes Bedürfnis wichtiger war oder sich durchgesetzt hat. Und manche Menschen sind einfach notorisch „unpünktlich“, weil sie sich damit (unbewusst) ihre Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit oder Autonomie erfüllen wollen – beides Bedürfnisse, die wir alle teilen, die sich aber (zum Glück) nicht jeder durch Unpünktlichkeit erfüllt.

Nicht Werte diskutieren, sondern an Engepässen arbeiten, die Entwicklung verhindern!

Den Unterschied zwischen Werten und Bedürfnissen zu verstehen ist essentiell. Wenn Unternehmenswerte häufig mit individuellen Bedürfnissen kollidieren, entstehen Konflikte. Meist werden Konflikte als lästiges Übel angesehen, die schnellstmöglich und vor allem schmerzfrei beseitigt werden müssen. Das Gegenteil ist richtig! Diese Konflikte zeigen, wo Entwicklungsengpässe im Unternehmen bestehen. Sie sind notwendig, damit sich das Unternehmen weiterentwickelt, so dass die individuellen Bedürfnisse aller Beteiligten wieder (besser) berücksichtigt werden. Diese Weiterentwicklung führt dann natürlich und authentisch zu einem neuen Wertebewusstsein und -handeln im Unternehmen, nicht anders herum!

Wenn Werte und Bedürfnisse sich widersprechen, setzten sich langfristig immer Bedürfnisse durch!

Ein gutes Beispiel ist der aktuelle Trend in der Organisationsentwicklung zu mehr Selbstverantwortung, Selbstorganisation bis hin zu einem „Management ohne Manager“ (F. Laloux, Reinventing Organizations). Diese Entwicklung wird durch die immer stärker werdenden Bedürfnisse der Menschen nach Autonomie, Selbstbestimmung und Freiheit angetrieben. In vielen Unternehmen stehen die Werte diesen Bedürfnisse mehr oder weniger entgegen – was zu zunehmenden Spannungen führen wird – bzw. dazu, dass junge Menschen lieber gleich ein Unternehmen ohne typisches Management gründen (Thank God it´s Monday: Wie wir die Arbeitswelt revolutionieren).

Im Detail haben wir diese Dynamik in dieser Grafik verdeutlicht:

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Werte-Seminare versuchen, diesen Entwicklungsprozess umzudrehen, was nicht funktioniert – sie erfüllen nicht, was sie versprechen. Besonders schlimm ist, wenn durch das Seminar suggeriert wird, man habe nun die Unternehmenswerte im Griff, schließlich hat man ja jetzt die tollen Plakate an den Wänden hängen.

Das ist gefährlich, weil dann die Warnzeichen für Entwicklungsengpässe noch leichter übersehen werden. So wird das Arbeitsklima noch schlechter, wenn man sich gegenseitig vorwirft, dass die Werte nicht umgesetzt und gelebt werden – obwohl man doch eine Werte-Seminar hatte! Doppelter Frust ist vorprogrammiert.

Wesentlich wichtiger und effektiver für die Werteentwicklung im Unternehmen wäre die Entwicklung von gegenseitigem Verständnis, Achtung und Mitgefühl für das Menschliche, für Gefühle, Bedürfnisse, für Unterschiedlichkeiten und die Fehler, die wir alle machen!


 

portrait markus 23_webEin Artikel von Markus Fischer, Dipl. Volkswirt, Berater bei Kultur-wandeln.de.

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