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Schwarmdumm – so blöd sind wir nur gemeinsam, Prof. Gunter Dueck

von | Apr 27, 2015 | Allgemein, Literatur, Unternehmenskultur | 0 Kommentare

Schwarmdumm, Gunter Dueck
Es ist heute ein Zeichen progressiven Denkens von „kollektiver Weisheit“ oder „Schwarmintelligenz“ zu schwärmen. Seit Wikipedia, Open-Source-Software und per Facebook organisierten sozialen Bewegungen, ist die Schwarmintelligenz die neue Hoffnung für Organisationen, Unternehmen und gesellschaftliche Probleme. Alles soll besser werden, wenn man nur auf die Weisheit Vieler vertraut.

Wie ein kalter Guss wirkt da das neue Buch von Gunter Dueck “Schwarmdumm – so blöd sind wir nur gemeinsam“. Gunter Dueck, ehemaliger IBM Technik Vorstand, zieht ernüchternd Bilanz: „Einzeln sind wir intelligent – aber nicht im Schwarm“. Wenn viele gemeinsam ein Problem lösen bedeutet das nicht unbedingt, dass dabei die beste und intelligenteste Lösung herauskommt. Die Metapher der „sechs Blinden“, die jeder aus seiner subjektiven Perspektive heraus einen Elefanten beschreiben , illustriert diese Einsicht. Aus den jeweiligen Beschreibungen kann man unmöglich einen realen Elefanten erkennen – jeder beschreibt eben nur seine individuelle Sicht. Viele Wahrheiten führen nicht immer zu genialen Einfällen.

Überforderung, Eigeninteressen und Wettkampf – die Zutaten der Schwarmdummheit

Das „Heißlaufen“ der Wirtschaft – also das ständige „am Limit arbeiten“, produziert zwar immer billigere Produkte, aber auch „gesellschaftliche Dummheit“. Wir wollen alles immer billiger kaufen und glauben, das dabei noch Qualität möglich sei. Die Wurst beim Discounter ist billiger ist als manches Hundefutter – guten Appetit…

Freiraum ist kein Luxus, sondern ein Naturgesetz

Das Warteschlangen-Phänomen ist die wissenschaftliche Begründung eines schwerwiegenden Schwarmdumm-Symptoms. Es besagt dass die erwartete Länge einer Warteschlange abhängig ist von der durchschnittlichen Auslastung. Bei 60% Auslastung warten nur 1,5 Kunden, bei 70% 2,3 Kunden,  bei 90% Auslastung warten schon 9, bei 95% Auslastung 19 Kunden! Wenn man die Auslastung steigert, wachsen die wartenden Menschen / Supportanfragen / Notfälle überproportional stark – das führt zu Fehlern, Überforderung und sinkender Qualität.

Unternehmen brauchen eine ganzheitliche Kultur

„Schwarmdummheit entsteht, wenn das Ganze nicht klar verstanden ist und kein Ganzes das Team einigt. Sie entsteht auch, wenn ein Ganzes angestrebt wird, das gar nicht erreicht werden kann oder wenn für den Weg zum Ganzen die Mittel und Fähigkeiten fehlen.“ Teammeetings arten dann in mehr oder weniger offene Stellungskriege zwischen den Vertretern diverser Abteilungen oder Interessengruppen aus.

Wettbewerb ist kein Kampf. Denn Kampf ist dumm

Genauso führt eingennutzorientierter Wettkampf zu einer Eskalation aller gegen alle – und nicht zu einer guten Unternehmensgestalt, die eine sinnvolle Orientierung bietet. Schwarzdummheit ist dann vorprogrammiert.

„Wir irren uns gewaltig, wenn wir den Grund unserer Misere in der Gier vermuten und nicht da, wo sie herkommt: aus dem gewollten Krieg aller gegen alle. Wir wollen den Wettbewerb, wir wollen die Mondziele, die harten Prüfungen und die Verschulung an den Universitäten, das G8-Abitur, die »objektiven Leistungsbeurteilungen« nach Zahlen, das Mobben der Minderleister und die Herstellung unserer Güter durch Asiaten unter Sklavenbedingungen. Dieser ganze stressende Rahmen erzeugt den künstlichen Krieg.“

Auch gegenüber den Befürwortern einer neuen Managemenkultur, sei es charismatische Führung oder Selbststeuerung ist Dueck kritisch:
„… es sind immer Firmen mit charismatischen Anführern, die aufgrund von Innovation und guter Konjunktur in den Himmel schießen. Ohne einen Steve Jobs (Apple) oder Richard Semler (Semco) trübt sich alles wieder schnell ein. Wenn das so einfach wäre, Schwarmintelligenz zu erzeugen, dann hätten wir sie doch in viel größeren Mengen und könnten daraus wieder an vielen Beispielen lernen, wie es noch besser geht, Schwarmintelligenz zu erzeugen. „

Keine Lösung in Sicht?

Duecks kritische Sicht auf unsere schwarmdumme Gesellschaft ist zwar aussichts-, aber nicht ganz hoffnungslos. Aber auch Dueck hat keine schnellen Lösung parat – er erteilt auch einigen der bekannten schnellen Reparaturideen eine Absage: Weder Entschleunigung, neue Werte, die Begrenzung der Managergehälter, höhere Steuern oder mehr Bildung noch „… das bedingungslose Grundeinkommen, die Abschaffung des Euro, das Eingreifen des Staates, das Nichteingreifen des Staates, das Verbieten von Zinsen, die Entmachtung der Banken, das Verteilen von iPads an Schüler …“ – nichts davon hilft gegen Schwarmdummheit und deeskaliert die schlimme Lage, die sich immer noch im Abwärtsstrudel befindet. Das bedeutet, dass wir im Augenblick nichts diskutieren, was unsere Lage wirklich verbessern könnte!

Führung ohne Macht – Wege aus vor Schwarmdummheit

Metakommunikation ist zwingend notwendig – der Austausch im Team über die Art und Weise der Zusammenarbeit ist genauso wichtig wie die konkreten Arbeitsprozesse und – Ergebnisse. Denn nur so können ineffektive Widerstände, lähmende kalte Konflikte oder eine disfunktionale Machtverteilung beseitigt werden. Den ungesunden Wettkampf (im Gegensatz zu einem anspornenden Wettbewerb) müssen wir eindämmen, die Betonung von Einzelleistungen in Organisationen beenden. „Es wäre ein wichtiger Schritt raus aus der Schwarmdummheit getan, wenn Manager ihre Mitarbeiter so führen würden, als ob sie ein Freiwilligen-Team vor sich hätten.“ Führen ohne (formale) Macht wird somit die nächste, echte Herausforderung für ein „schwarmintelligentes“ Management.