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Radikale Fragen, unbequeme Antworten

Ich habe das Buch Radikal führen von Rainhard Sprenger vor dem Hintergrund meiner Tätigkeit als Trainer und Coach gelesen. Vorausgeschickt sei dass ich die Ideen und den Führungsansatz von Herrn Sprenger sehr schätze, auch wenn ich ein paar kritische Anmerkungen zu „Radikal führen“ habe.

Die radikale Frage, die Sprenger stellt ist: Wozu dient Führung und wie rechtfertigt sie sich? Durch die Reduktion auf fünf grundlegenden Führungsfunktionen versucht Sprenger Führungskräften eine Orientierung zu geben im Dschungel der Management- und Führungsmoden. So reduziert er Führungstätigkeit auf wenige Bereiche:
Zusammenarbeit organisieren, Transaktionskosten senken, Konflikte entscheiden, Zukunftsfähigkeit sichern, Mitarbeiter führen.

Herr Sprenger stellt wie gewohnt die unbequemen Fragen („Wozu dient Führung überhaupt?“) und gibt radikale Antworten, die selbstverständlich klingen („Um Zusammenarbeit zu ermöglichen“), es aber nicht sind, sonst bräuchte es solche Bücher nicht. Seine reiche Erfahrung fließt in Anekdoten ein und er macht keinen Hehl aus seiner kritischen Sicht auf das Thema Führung. Als Lektüre zum Sinn und Unsinn von Führung fand ich „Radikal führen“ sehr anregend und lesenswert!

Die Umsetzung in die Praxis bleibt unklar

Was mir fehlt ist der Hinweis, wie Führungskräfte die Fähigkeiten entwickeln sollen, die Sprenger fordert. Ohne diese Hinweise bleibt es bei etwas nebulösen Ratschlägen, wie Führungskräfte „radikal führen“ sollen – wenn sie es denn könnten. Dazu zwei Beispiele.

Zum Thema: „Zusammenarbeit organisieren“

„Es ist klar, dass es auf der Basis von Unterdrückung oder bloßen Verfahrensweisen nicht gelingt, Gruppen oder Organisationen zu integriertem.“ (R.. Sprenger)

Aus meiner Erfahrung fallen Führungskräfte, wenn es schwierig wird in ihre Verhaltensmuster zurück, die sie als „erfolgreich“ gelernt haben – und das sind leider oft entweder „Unterdrückung“ (mehr oder weniger offensichtlich), oder noch mehr Regeln, Gebote und Kontrolle. Sie nutzen also die Strategien, die Herr Sprenger zu Rech kritisiert. Der Hinweis allein, dass dies nicht sinnvoll ist, befähigt Führungskräfte aber noch nicht etwas zu ändern. Einsicht führt nicht automatisch zur Verbesserung. Hier braucht es individuelle Unterstützung und Arbeit an den (emotionalen) Mustern die diese Droh- oder Kontrollstrategien unterstützen.

Zum Thema: „Mitarbeiter führen“

„Warum gehen so viele Führungskräfte so wenig kundenorientiert mit ihren Mitarbeitern um? Weil sie sich selbst nicht mögen… Nur Menschen, die sich selbst mögen, können andere mögen, können wirklich wirkungsvoll die Leistung anderer organisieren und fördern. Echtheit und Offenheit sind nur für jene möglich, die in ihrer frühkindlichen Entwicklung hinreichend bestätigt, gleichsam mit Liebe »gesättigt« wurden.“ (R.. Sprenger)

Natürlich, da gebe ich Herrn Sprenger völlig Recht, liegen die Probleme für viele(!) Führungsprobleme im mangelnden Selbstwert der Führungskräfte. Aber was soll eine Führungskraft nun mit dieser Erkenntnis anfangen? Aber auch hier fehlt der Hinweis, dass eine kritische Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung von Führungskräften absolut unumgänglich ist, und vor allem, wie diese durchzuführen ist. Meiner Erfahrung nach ist diese nur mit Hilfe erfahrener externer Unterstützung möglich, denn der erfolgreichste Betrug ist immer noch der Selbstbetrug.

Fazit: Alles in allem finde ich „Radikal führen“ für Führungskräfte eine höchst anregende, inspirierende Lektüre, die ich sehr empfehle! Wenn Sie allerdings konkrete Unterstützung im Führungsalltag suchen, werden Sie vermutlich enttäuscht.

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